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100 Jahre Kirche Karlshorst

 – eine Kirche im Spiegel der Zeit
 
Kirchengeschichte ist wohl immer ein Spiegel historischer Ereignisse, so auch die Geschichte der Kirche „Zur frohen Botschaft“ Karlshorst. 1895 wird die „Colonie Karlshorst“ vor den Toren der sich ausbreitenden Großstadt Berlin gegründet. Damit wächst auch die evangelische Gemeinde. 1906 wird eine selbständige Kirchengemeinde Karlshorst aus der Gemeinde Friedrichsfelde „ausgepfarrt“, einige Monate später beschließt der Gemeindekirchenrat den Bau einer Kirche. Das Gelände stiftet Landrat von Treskow. Nach Vorstellung verschiedener Entwürfe werden die Architekten Jürgensen und Bachmann, die auch das Schöneberger  Rathaus geplant haben, mit der Bauausführung beauftragt. Es entsteht ein sachlich-funktionaler Kirchenbau mit klassizistischen und Jugendstil-Elementen, verbunden mit zwei Gebäuden, in denen Pfarr- und Küsterwohnungen, sowie Gemeindebüro und Versammlungsraum Platz finden.
Am 9. Mai 1909 wird der Grundstein gelegt und bereits am 8. Mai 1910 findet in Gegenwart des Prinzen August Wilhelm von Preußen als Vertreter Seiner Majestät des Kaisers und Königs, die festliche Kirchweihe statt. Die Bausumme wird insgesamt auf 236.000 Mark veranschlagt, die endgültigen Kosten betragen etwas über 300.000 Mark.
Historische Bedeutung erlangt Karlshorst am Ende des dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte. Am 8. Mai 1945 wird unweit der Karlshorster Kirche die bedingungslose Kapitulation sämtlicher deutscher Truppen und damit das Ende des Zweiten Weltkrieges erklärt. Für die Karlshorster und die Karlshorster Kirchengemeinde bringt das Kriegsende Erlösung, aber auch neue Ängste und Sorgen, denn weite Teile Karlshorsts werden geräumt und zum Sperrgebiet der sowjetischen Armee, auch das Gebiet, in dem sich die Kirche befindet.

Eine frohe Botschaft

Am 23. Mai 1955 wird die Kirche zunächst als „kleine Insel“ im Sperrgebiet an die Gemeinde zurückgegeben und von Probst Dr. Grüber und Herrn Superintendent Himmel übernommen. Unter Mithilfe der „Aktion Sühnezeichen“ wird mit der Sanierung begonnen, denn der Innenraum, zwischenzeitlich als Lager genutzt, ist leer. Im Rahmen dieser ersten Rekonstruktion erhält die Kirche die noch heute zu bewundernden Fenster im Altarraum mit Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament, ausgeführt von Gerhard Olbrich. Auf der Kanzelseite finden sich Darstellungen zu Taufe und Wasser, auf der Taufsteinseite zu Abendmahl und Brot. Der Taufstein ist erhalten, jedoch wird der Altar 1955/56 in Anlehnung an das Original freistehend und neuzeitlich gestaltet, ebenso die Kanzel. Die feierliche Wiedereinweihung der Kirche findet am 15. Juli 1956, dem 50. Jahrestag der Gemeindegründung durch Bischof Dibelius statt. Kirche und Gemeinde erhalten den Namen „Zur frohen Botschaft“.
Obgleich sich der Kirchenbau äußerlich auch in den Folgejahren kaum verändert, erfährt der Kirchenraum 1993/94 erneut eine Neugestaltung. Im Rahmen einer umfangreichen Sanierung, maßgeblich vorangetrieben vom damaligen Superintendenten und Gemeindepfarrer Joachim Rißmann, werden die Fenster und die Ornamente an den Längs- und Quergurten der Decke wieder entsprechend der ursprünglichen Form gestaltet. Sie vermitteln heute einen kleinen Eindruck des ursprünglich sämtlich mit Ornamenten ausgemalten Innenraumes. Gleichzeitig wird eine moderne Heizung installiert und der Fußboden erneuert.
In den Jahren vor der Jahrtausendwende wird in vielen Bereichen der evangelischen Kirche in Berlin und Brandenburg eine engere Zusammenarbeit der Kirchengemeinden erforderlich, um wirtschaftlich bestehen zu können. So schließt sich die Gemeinde Karlshorst 2001 mit den Gemeinden „Zur Barmherzigkeit“, der Erlösergemeinde und der Gemeinde Friedrichsfelde zur Evangelischen Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Lichtenberg zusammen. Gemeinsam wird Umbau und Sanierung der Pfarrhauses 2003 und der Küsterei 2009 realisiert.

Die Karlshorster Kirche und ihr barockes Kleinod

Während nun Ende der 50iger Jahre in Karlshorst eine Kirche ohne Orgel steht, gibt es in Berlin auch eine Orgel ohne Kirche. Es handelt sich um eine Orgel aus der Werkstatt von Johann Peter Migendt aus dem Jahre 1755, die ursprünglich für die Prinzessin Anna Amalia von Preußen, der jüngsten Schwester König Friedrich II. erbaut wurde. Diese Orgel steht zunächst im Berliner Stadtschloss, später im Palais der Prinzessin Unter den Linden. Ende des 18. Jahrhunderts gelangt die Orgel in die Schlosskirche in Wendisch-Buch. Bei einer Kirchenrenovierung wird das Instrument 1934 dort entdeckt und dem Berliner Stadtsynodalverband übergeben. Sie gilt als die mit Abstand bedeutendste und wertvollste historische Orgel Berlins. Für eine spätere Verwendung in der Nikolaikirche soll die Orgel in der Werkstatt Schuke in Potsdam restauriert werden, das spätbarocke Gehäuse mit den Prospektpfeifen lagert in der Berliner Marienkirche und später in der Berliner Münze. Hier übersteht das kostbare Instrument den Krieg. Nun aber liegt die Nikolaikirche in Trümmern und auch die Kirche in Berlin-Buch ist von einer Bombe getroffen worden. Auf Veranlassung von Probst Grüber machen die Schwesterngemeinden St. Marien und St. Nikolai die Orgel den Karlshorstern zum Geschenk. Die Orgelweihe erfolgt im Juni 1960 anlässlich des 50. Kirchweihfestes.
Seitdem ist Karlshorst Anziehungspunkt für Orgelkenner aus aller Welt und mit der Kantorentätigkeit von Kirchenmusikdirektor Roland Münch (†2001) prägen zunehmend herausragende kirchenmusikalische Veranstaltungen das Gemeindeleben. In den letzten Jahren wird immer deutlicher, dass eine Überarbeitung der Orgel dringend erforderlich ist. Unter großem Einsatz der Kantorin Beate Kruppke und des Förderkreises Amalien-Orgel e.V. wird unter Einbeziehung namhafter Orgelexperten ein sorgfältig abgestimmtes Restaurierungskonzept erstellt. Dank vieler Spender, allen voran der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, kann im Herbst 2009 mit der Restaurierung begonnen werden. Mit der Ausführung wird der Orgelbaumeister Kristian Wegscheider beauftragt, in dessen Dresdner Werkstatt die Orgel gründlich repariert und restauriert wird. Dabei soll die Disposition der Orgel wieder dem Originalzustand angepasst werden. Am 6. September 2009 erklingt die Amalien-Orgel vorerst zum letzten Mal, anschließend beginnt der Abbau des wertvollen Instrumentes. Die Gemeinde und alle Freunde der Orgelmusik freuen sich auf ein Wiedererklingen Ende 2010.
Börries Bellmann
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